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Widerstand gegen den Nationalsozialismus

Egerer Bürger, die in schwerer Zeit der Tschechoslowakei treu geblieben sind

Neben dem Haupteingang der Fachmittelschule am Balthasar-Neumann-Platz 1 (wo früher das „Volkshaus“ der Sozialdemokratischen Partei stand) wurde im Jahre 2008 eine Gedenktafel angebracht. Darauf ist in tschechischer und deutscher Sprache zu lesen: „In diesem Haus war in den 30er Jahren der Sitz der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Ihre Mitglieder setzten sich 1938 entschieden für die Verteidigung der Tschechoslowakischen Republik ein.“

 

Seit Hitlers „Machtergreifung“, im Jahre 1933, waren die Egerer Sozialdemokraten immer mehr in Bedrängnis durch die eigenen Landsleute geraten, denn die Henlein-Bewegung hatte zahlreiche Anhänger gefunden.

Dennoch wagte die „Republikanische Wehr“ der Sozialdemokraten ein öffentliches Bekenntnis der Loyalität zum Staate. Sie veranstaltete noch am 1. Mai 1938 einen großen Demonstrationsumzug durch die Stadt – unter der tschechoslowakischen Fahne.

Als Hitler, am 12. September 1938, am „Reichsparteitag“ in Nürnberg, unter offener Androhung von Krieg den „Anschluss des Sudentenlandes“ forderte, hatten in Eger viele Anhänger Hitlers ihre Fenster weit geöffnet und die Radiogeräte auf höchste Lautstärke gestellt, damit möglichst alle Leute die Rede des „Führers“ hören sollten.

Als die Rede beendet war, versuchten etwa 300 bis 400 Mitglieder der Henlein-Bewegung das „Volkshaus“, den Sitz der Sozialdemokratischen Partei, zu stürmen. Es wurden sämtliche Fensterscheiben eingeworfen und der Schaukasten zerstört. Die „Republikanische Wehr“ der Sozialdemokraten konnte Schlimmeres verhindern, bis endlich, nach etwa einer Stunde, die Gendarmerie eintraf und diesen Angriffen ein Ende setzte.

 

Verfolgung von allen Seiten

 

Von da an wurden die Sozialdemokraten noch mehr verfolgt – dies aber nicht nur durch deutsche Mitbürger. Eine Frau beschrieb die Situation so: „Wir waren auf deutscher wie auf tschechischer Seite unter die Räder gekommen!“

Als die Deutsche Wehrmacht in das Sudetenland einmarschierte, flohen viele Sozialdemokraten in das Landesinnere. Mit einer Flucht nach Schweden, England oder Kanada, wollten sie ihr Leben retten. Die Tschechen aber begriffen nicht, dass es sich bei diesen Flüchtlingen um loyale und tapfere Mitbürger handelte. Weil sie Deutsche waren, wurden alle wieder in den Zug gesetzt und in ihre Heimatorte zurückgeschickt.

Als sie daheim am Bahnhof ankamen, warteten dort schon Nationalsozialisten auf sie: „Jetzt kommt das Gesindel! – Schlagt sie tot.“ Gleich auf dem Egerer Bahnhof wurden viele von ihnen abgeführt – zum Transport in ein Konzentrationslager.

Nach Darstellung der nationalsozialistischen Propaganda gab es überall nur begeisterte Zustimmung dafür, dass das Sudetenland „Heim ins Reich“ geholt wurde. Die Gegner des braunen Regimes wurden aber mit fanatischem Hass verfolgt – und vor der Öffentlichkeit „tot-geschwiegen“.

Als der Zweite Weltkrieg 1945 beendet war, schien es deshalb den Tschechen unbekannt zu sein, dass nicht alle Deutschen Anhänger Hitlers waren. Auch diejenigen, die im Widerstand gegen den Nationalsozialismus ihr Leben riskiert hatten, wurden wie Verräter aus ihrer Heimat vertrieben.

 

Am 12. September 2008 wurde zu Ehren dieser Deutschen eine Gedenktafel enthüllt.

 

Die feierliche Enthüllung dieser Gedenktafel war ein Ereignis, dessen Bedeutung durch die Anwesenheit zahlreicher prominenter Ehrengäste aus Tschechien und Deutschland besonders hervorgehoben wurde.

Oberbürgermeister Dr. Jan Svoboda: „Diese Gedenktafel soll an die Ereignisse vor siebzig Jahren erinnern, als sich die Sozialdemokraten energisch zur Verteidigung der Tschechoslowakischen Republik stellten. Es waren sie und auch andere Opponenten des Nationalsozialismus, die verfolgt wurden. Für deren Tapferkeit wollen wir, die jetzigen Bürger der Stadt Cheb, danken.“

Er betonte, dass dieser Akt nicht parteipolitisch zu verstehen sei. Vielmehr solle er den Respekt vor Menschen dokumentieren, die sich in bestimmten Situationen richtig verhalten und dabei große Tapferkeit gezeigt haben. Sozialdemokraten und alle anderen Antifaschisten hätten damals ihr Leben riskiert. „Ich glaube nur“, fährt er mitfühlend fort, „dass sie auf diese Ehrung sehr lange gewartet haben.“

 

Entschuldigung bei allen Gegnern des Nationalsozialismus

 

Dr. Jiři Čistecký hob als Vertreter des tschechischen Außenministers hervor, dass der Nationalsozialismus einen Verfall der deutschen Kultur mit sich brachte, bis hin zur blutigen Verfolgung der Juden.

Aber das tschechische Volk hatte auch unter seinen deutschen Mitbürgern Verbündete im Kampf gegen den Nationalsozialismus. Mit dieser Gedenktafel solle in Dankbarkeit daran erinnert werden.

 

Die Gegner des Nationalsozialismus waren nicht nur die Mitglieder linker Parteien, sondern auch die Kirchen, die Gewerkschaften, sowie viele „normale, gewöhnliche Leute“, die eine enorme Tapferkeit bewiesen.

Die heldenhafte Treue vieler deutscher Bürger zur Tschechoslowakei wurde von den Tschechen für lange Zeit ignoriert. Diese Gedenktafel sei also als eine „symbolische Entschuldigung“ bei diesen ehemaligen deutschen Mitbürgern zu verstehen.

Das tschechische Außenministerium begrüße diese Aktion, die das historische Bewusstsein vieler Tschechen verändern werde.

 

Günther Juba

 

Fotos:

  • Demonstration am 1. Mai 1938, unter der tschechoslowakischen Fahne
  • Im Oktober 1938 wurden die Demonstranten verurteilt und von der Polizei zum Bahnhof gebracht.

 

Diese Aufnahmen wurden dem Ausstellungskatalog „Die Sudetendeutschen Sozialdemokraten“ (2009) entnommen.

Verantwortlich: Tourist-Information
Entstanden / aktualisiert: 9.1.2015 / 9.1.2015

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