Touristisches Infozentrum
Suche
Close this search box.

„Reichskristallnacht“ in Eger

Erinnerungen an den Brand der Synagoge

Mit der „Reichskristallnacht“ begann am 9. November 1938 eines der bittersten Kapitel der deutschen Geschichte.

Die Synagoge von Eger wurde erst einen Tag später Opfer des braunen Terrors.

Am 3. Oktober 1938 hatte noch die Mehrheit der Bürger Adolf Hitler in ihrer Stadt begeistert begrüßt, weil sie auf eine bessere Zukunft im Deutschen Reich hofften.

Schon einen Tag später wurde aber mit den Verhaftungen aller Sozialdemokraten das wahre Gesicht des Nationalsozialismus erkennbar.

In nur wenigen Wochen waren die Menschen bereits so verängstigt, dass die Zerstörung der Synagoge am 10. November 1938 ohne Widerstand hingenommen wurde.

In ihren Erinnerungen, aufgeschrieben für die Ausstellung  „950 Menschen und Schicksale in Eger“, beschreiben einige der ehemaligen Egerer Bürger auch den Tag der Zerstörung des jüdischen Gotteshauses durch die Nationalsozialisten.

 

Sprachlose Menge, düstere Vorahnungen:

 

  1. H., damals 12 Jahre alt, war Ministrant in der Nikolauskirche. Er schreibt: „… ein Pfarrer nahm mich mit, um den Judentempel, der in Flammen stand, zu sehen. Eine große Menge Schaulustiger stand auf der Seite der Kreutzinger Bibliothek (Stadtbibliothek) – dort stand gegenüber der Judentempel – und sie sahen dem ‚Spektakel‘ zu. Die Menge war mehr oder weniger sprachlos.

Der Pfarrer, den ich begleitete, sagte die Worte: ‚Wenn wir das noch einmal büßen müssen, wird es uns noch schlecht ergehen‘. Diese Worte habe ich mir bis heute gemerkt.“

  1. S. stammte ebenfalls aus einer christlich geprägten Familie. Er erinnert sich: „Ich weiß noch ein Wort meiner Eltern in der Brandnacht der Synagoge: ‚Wer Gotteshäuser anzündet, der wird die Strafe Gottes herab rufen‘.Diese Strafe nahm ein dreiviertel Jahr nachher, mit dem Beginn des 2. Weltkrieges, ihren Anfang.“
  2. H. berichtet auch, was danach geschah: „Am nächsten Tag fuhr die SS, die sich in der jüdischen Villa am Geiersberg einquartiert hatte, mit ihren Autos in Eger herum und hatten Orgelpfeifen der abgebrannten Orgel im Auspuff ihrer Autos. In der Innenstadt wurden jüdische Geschäfte verwüstet, die Fensterscheiben wurden zertrümmert, die Waren und das Mobiliar zerschlagen oder auf die Straße geworfen. Ein Großteil der Bevölkerung war schockiert.“

 

Damals lebten in Eger etwa 500 bis 600 Juden. Im Jahre 1938 flohen die meisten von ihnen aus der Stadt, vor allem nach der Unterzeichnung des „Münchner Abkommens“ am 30. September. Als am 10. November die Egerer Synagoge zerstört wurde, gab es hier fast keine Juden mehr.

Schon am 13. November verkündete die Egerer Zeitung, dass die Stadt nun „judenrein“ sei.

 

Die Synagoge wurde dem Erdboden gleichgemacht und an dieser Stelle ein Wasserbecken für die Feuerwehr erbaut.

In den 80er Jahren erstellte man hier, ohne Rücksicht auf die religiöse Vergangenheit dieses Ortes, einen Plattenbau.

 

Gedenktafel zur Erinnerung an die ehemalige Synagoge

 

Am 10. November 2004 wurde an diesem Haus eine Gedenktafel angebracht. In tschechischer und in englischer Sprache ist darauf zu lesen:

 

„An dieser Stelle stand seit dem Jahre 1893 die pseudoromanische Synagoge,

eine Dominante der Stadt,  ein bedeutendes religiöses und gesellschaftliches Zentrum

der hiesigen jüdischen Gemeinde.

Am 10. November 1938, während der sogenannten Reichskristallnacht, wurde sie niedergebrannt.

Die Egerer Juden mussten fliehen und viele von ihnen fanden den Tod

in den nazistischen Konzentrationslagern.

 

Kehre zurück, ewiger Gott, zu Dir werden auch wir zurückkehren

und erneuern unsere Tage wie in vergangenen Tagen.

Jeremiahs Klagen V:21“

 

Geste der Versöhnung eines Egerer Juden

 

Über das Schicksal der Egerer Juden ist wenig bekannt. Einer der wenigen, die den Holocaust überlebten, ist Abraham Löwy. Auch er konnte dafür gewonnen werden, für die Ausstellung  „950 Menschen und Schicksale in Eger“ seine Lebenserinnerungen aufzuschreiben:

„…  Bis 1937 waren die Beziehungen zwischen Ariern und Juden ausgezeichnet, wir fühlten nicht den geringsten Antisemitismus. Von 1937 an änderte sich alles: Ein … Kunstprofessor im Gymnasium verhielt sich sehr antisemitisch, …. Im Schuljahr 1937 – 1938 beschloss meine Klasse (4. Klasse Gymnasium), kein Wort mehr mit den vier jüdischen Schülern zu sprechen. Wir wurden nur schriftlich zu verschiedenen Versammlungen und Feiern eingeladen.“

Trotz seines schweren Schicksals empfindet Abraham Löwy keinen Hass auf die Deutschen. Er besuchte sogar ein Klassentreffen, um seine ehemaligen Mitschüler wieder zu sehen: Er schreibt: „ … Es verblieben von 44 Schülern noch 14. Vorher übergaben sie mir eine Liste, in welcher genau der Dienst dieser 14 Schüler in der Wehrmacht angegeben war. Keiner von ihnen diente in den ‚Einsatztruppen‘ Heydrichs (SS).“

Abraham Löwy überlebte, weil er noch rechtzeitig nach Israel fliehen konnte – als Einziger in seiner Familie.

 

Günther Juba

 

Fotos:

o   Synagoge außen, Aufnahme aus dem Jahre 1910

o   Synagoge innen, Blick von der Frauenempore zum Thoraschrein

o   Synagoge innen, Blick nach hinten

o   Plattenbau, renoviert 2013, rechts die schwarze Marmortafel zur Erinnerung an die Synagoge

Verantwortlich: Tourist-Information
Entstanden / aktualisiert: 20.1.2015 / 20.1.2015

Skip to content