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Der königliche Marktplatz von Cheb/Eger

Georg von Podiebrad, als Friedensfürst verehrt, als „Ketzerkönig“ verspottet

Der Egerer Marktplatz trägt den Namen „Platz des Königs Georg von Podiebrad“ (Náměsti Krále Jiřího z Poděbrad). Dieser König ist bei uns kaum bekannt. Tatsächlich aber war er einer der geistigen Väter der europäischen Einigung und für die Stadt Cheb/Eger von weit größerer Bedeutung als der berühmte Herzog Albrecht von Wallenstein, der hier im Jahre 1634 ermordet wurde.

 

Das Königreich Böhmen litt in der Mitte des 15. Jahrhunderts an den Folgen der Hussiten-Kriege. König Ladislav, der letzte böhmische König aus dem Geschlecht der Luxemburger, war bei seiner Thronbesteigung erst 13 Jahre alt. Deshalb wurde Jiří z Poděbrad (Georg von Podiebrad) mit den Regierungsgeschäften betraut. Bereits 1457 starb König Ladislav, im Alter von 17 Jahren. Im Mai 1458 wurde Jiří z Poděbrad von den böhmischen Ständen zum neuen König gekrönt. Er war der einzige Herrscher Böhmens, der nicht einem hochgestellten ausländischen Adelsgeschlecht entstammte.

 

Jiří z Poděbrad war nur 1,65 m groß und korpulent, sein Gesicht durch gebrochene Kieferknochen verunstaltet. Er sprach nur wenig deutsch und noch weniger lateinisch, aber er war ein geschickter Diplomat.

 

Eger war für Georg von Podiebrad vermutlich nach Prag die wichtigste Stadt Böhmens, denn er hatte in dieser Stadt an der Westgrenze seines Reiches einen verlässlichen Partner. Diese hatte in dem König einen Schirmherrn, der ihr Wohlstand und politische Bedeutung brachte.

Die Stadt hatte im Königreich Böhmen eine Sonderstellung. Dazu gehörte das Recht, eigene Münzen zu prägen. Zu Ehren des Königs wurde eine Münze geprägt, auf der er Georg genannt wurde. Dass er eigentlich Jiří hieß, war unerheblich.

 

Vier Mal residierte Georg von Podiebrad auf der Egerer Burg.

Bei seinem ersten Besuch im Jahre 1459 gelang es ihm, einen langjährigen Streit durch Verhandlungen friedlich zu beenden. Im Vertrag von Eger wurde die Grenze zwischen Böhmen und Sachsen auf der Höhe des Erzgebirges und der Mitte der Elbe festgelegt. Dieser Grenzverlauf ist bis heute noch fast unverändert gültig.

 

Der zweite Besuch, im Herbst desselben Jahres, sollte die Verhandlungsergebnisse mit dem Herzog von Sachsen sichern. In Eger fand die Hochzeit der Kinder der beiden Herrscher statt.

Beide Besuche waren große Feste, bei denen sich die Mächtigen Europas trafen. Eger musste mit den Vorbereitungen zu den Feierlichkeiten und mit der Verpflegung der hohen Gäste große Belastungen auf sich nehmen. Dafür aber wurden das Rathaus, die Stadtmauern und die Brücken renoviert. Für die Zerstreuung der Gäste wurde ein Tanzsaal erbaut.

 

Der dritte Aufenthalt des Königs (1461) war für diesen nicht erfolgreich. Georgs Versuch, die Kaiserkrone zu gewinnen, scheiterte.

 

Im Jahre 1467 kam der König zur Hochzeit seines Sohnes mit der Tochter des Markgrafen Albrecht nochmals nach Eger.

Georg war der letzte Herrscher, der auf der Kaiserburg residierte.

 

Vision einer europäischen Zusammenarbeit

1462 erstellte König Georg von Podiebrad den ersten europäischen Friedensplan. Mit einem Staatenbund sollte Europa geeinigt werden, um in einem gemeinsamen Türkenfeldzug die Gefahr für das christliche Abendland abzuwenden.

Dies wäre eine europäische Einigung gewesen, wie sie erst 500 Jahre später realisiert werden konnte. Der berühmte Staatsmann und Gelehrte František Palacky beurteilte den Plan Podiebrads mit den Worten: „Wäre jene Idee durchgeführt worden, sie hätte der Geschichte Europas eine andere, wohltuendere Richtung gegeben.“

 

Das Scheitern eines großen Herrschers

Georg von Podiebrad war aber der erste König im westlichen Europa, der nicht katholisch war.

Er bekannte sich zur Konfession der Hussiten. Deshalb wurde er von seinen Gegnern als „Hussitenkönig“ und als „Ketzerkönig“ verspottet.

Alle Versuche Georgs, mit Papst Paul II. Verhandlungen zu führen, scheiterten. Am 23. Dezember 1466 wurde Georg von Podiebrad exkommuniziert. Vom Papst wurde auch die Absetzung Georgs als König von Böhmen verlangt, und deshalb war eine Zusammenarbeit mit den Katholiken nicht mehr möglich.

Damit war aber auch die Friedenspolitik dieses Königs gescheitert.

 

Jiří z Poděbrad hatte viele Feinde in der Römischen Partei des mächtigen böhmischen Adels.

Es kam zu einem Aufstand der Katholiken, der vom ungarischen König unterstützt wurde.

Nach militärischen Erfolgen gegen seine Feinde kam es zu Friedensverhandlungen.

Dabei starb aber der in seinen letzten Jahren an Wassersucht leidende Jiří am 22. März 1471 im Alter von 51 Jahren.

Für seine Gegner war er nur der „Ketzerkönig“, für seine Anhänger aber ein Friedensfürst und Visionär.

 

Eger aber war – trotz der Verhängung des Kirchenbannes – politisch neutral geblieben und begründete dies mit seiner Treue zum böhmischen König.

Diese Haltung einer Stadt mit deutscher Bevölkerung gegenüber einem tschechischen König wird von tschechischen Historikern als beispielhaft gewertet, denn es „gelang … beiden Seiten, die nationalen, politischen und religiösen Hindernisse zu überwinden und feste, beiderseitig freundschaftliche Beziehungen aufzubauen“.

 

Günther Juba

 

Fotos:

Das Denkmal für den König Georg von Podiebrad ist am „Scharfen Eck“ zu finden.

Egerer Münze zu Ehren des Königs, genannt Georg, anstelle von Jiří

Verantwortlich: Tourist-Information
Entstanden / aktualisiert: 27.8.2014 / 27.8.2014

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