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Eger im Spiegel der Zeit

Dieses Buch versucht Eger im Wandel der letzten 130 Jahren in Bildern festhalten. Der Titel des berühmtesten Buches des bekannten Egerer Historikes Karl Siegl aus dem Jahre 1931 spricht von Eger im Wandel der Zeit von 1000 Jahren. Versuchen wir so in seinem Sinne diesen Wandel der ehemals freien Reichsstadt und königlich böhmischen Stadt Eger in den wichtigsten, kurzen Abschnitten erfassen.

 

„Wir, Heinrich, durch Gottes Gnaden König, wollen, daß allen bekannt werde, einem unserer Diener, genannt Otnant, einen Teil des Waldes, nämlich…bis zu jenem Wege, der von Eger herabkommt….zum Eigentume gegeben und übertragen haben.“

(Aus der Urkunde König Heinrichs IV. Vom 13. Februar 1061)

 

Die erste schriftliche Erwähnung Egers in der Urkunde König Heinrichs IV. vom 13. Februar 1061 ist gleichzeitig der älteste Beleg der fortschreitenden Kolonisierung der Gebietes um Eger. Im Laufe des 11. Jahrhunderts geriet dieses Grenzgebiet zwischen Böhmen und dem Reich in die direkte Einflussnahme des bayerischen Nordgaus und man nahm an, daß es während der Zeit der Herausbildung der neuen machtpolitischen Strukturen unter der Einflußnahme der  böhmischen wie der deutschen Seite stand. Nach der Vereinigung des Nordgaus durch den Markgrafen Diepold von Vohburg um 1100 folgten die schnelle Kolonisierung des nördlichen Grenzgebietes und die Bildung eines neuen Verwaltungzentrums in Eger.

Im Jahre 1167 gewann Kaiser Friedrich Barbarossa das Egerland und erkannte alsbald dessen Bedeutung als Grenzland für die Ziele seiner kaiserlichen Politik. Während der hundertjährigen Regierung der Staufer wurde die Kolonisierung des Egerlandes abgeschlossen. Neben mehreren Burgen und befestigten Siedlungen finden wir jetzt über 300 Dörfer. Die wachsende kaiserliche Macht fand ihren Ausdruck im Bau prunkvoller kaiserlicher Residenzen, der sog. Pfalzen, die nun nicht mehr nur Verteidigungsaufgaben erfüllten, sondern die vor allem die neue Feudalmacht glanzvoll repräsentieren sollten. Der eigentliche Beginn der Errichtung der Pfalz von Eger ist nicht genau belegt. Der erste Besuch des Kaisers in Eger im Jahre 1179, als hier ein Reichstag abgehalten wurde, wird auch als erster Impuls für den Bau der romanischen Pfalz angesehen. Ein historischer Vermerk aus dem Jahre 1183, der die Burg als kaiserliche Burg bezeichnet, beweist, daß sich zu dieser Zeit die Pfalz bereits im Bau befand. Die zahlreichen Besuche der Kaisers und der Mitglieder seines Hauses zeigen, daß die Burg von Eger ihre Funktion als ein wichtiges Glied im System der kaiserlichen Pfalzen des 12. Jahrhunderts zu erfüllen begann.

In einer Urkunde aus dem Jahre 1203  ist Eger zum ersten Mal schriftlich als Stadt (civitas) belegt. In die Zeitspanne der Jahre 1203 bis 1215 können wir die Ausweitung des dortigen Marktfleckens und die Gründung einer eigenen, neuen Stadt datieren. Nach dem Brand der Stadt im Jahre 1270 begann eine neue Bautätigkeit, die die Grundrißdisposition des  historischen Stadtkerns so ausgestaltete, wie sie sich in den Grundzügen bis auf die heutigen Tage erhalten hat.

Im Jahre 1266 wurde Eger von einem Heer Premysl Otokars II. besetzt, der seine Stellung als Verwalter der Reichsgüter dazu ausnützte, das Gebiet um Eger seinem Territorium einzuverleiben. Die Regierung Premysls war ein Versuch um eine dauernde Beherrschung dieser Region und um die Sicherung der Westgrenze des böhmischen Königreiches. Diese Bemühungen fanden ihre Fortsetzung auch zur Zeit Wenzels II., der dieses Gebiet in den Jahren 1291 – 1304 innehatte, und erreichten ihren Höhepunkt im Erwerb des Egerlandes als Pfand der böhmischen Krone im Jahre 1322.

 

„Wir Johans von gotes genaden chunig ze Behem und ze Polan und graffe zu Luzcemburgch…gelobe wir ihnen stett zu behalten alle die rechte, die sie von romischen keysern und romischen chunigen biz her bracht haben und in redlichen von in verlihen sint.“

(Aus der Urkunde Johannes von Böhmen vom 23. Oktober 1322)

 

Diese staatsrechtliche Urkunde des böhmischen Königs bildete die Grundlage für eine Sonderstellung des Egerlandes im Rahmen der Länder der böhmischen Krone und regelte für weitere Zeiten das Verhältnis der Stadt Eger zu Böhmen. Der Anschluß des Egerlandes an das Königreich Böhmen erwies sich für die Stadt selbst als äußerst segensreich. Nach dem Jahre 1322 wurde der Untergang der Egerer Ministerialität vollendet und die Stadt Eger begann mit der Beherrschung der ganzen umliegenden Region. Die wirtschaftliche Macht der Stadt bildeten Einkünfte aus ihrer Handels- und Handwerkstätigkeit, deren Sicherung und Aufwärtsentwicklung nur unter dem starken Schutz des Herrschers möglich war. Nach dem Regierungsantritt Karls IV. erfolgt bei der allgemeinen Straffung der staatsrechtlichen Bande der böhmischen Länder auch eine festere Einbeziehung des Egerlandes als eines unveräußerlichen Gebietes.

Die dominierende Stellung der Stadt Eger im ganzen Egerland am Beginn des 15. Jahrhunderts hatte ihre wirtschaftliche und militärische Machtbasis. Die Stadt gehörte damals mit ihren 7.300 Einwohnern zu den größten und reichsten Städten der böhmischen Krone, die Innenstadt zählte etwa 400, die Vorstädte allein gegen 200 Häuser. Die Egerer Bürger unterhielten eine eigene Bereitschaftstruppe, die aus angeheuerten Söldnern bestand und durch Zunfabteilungen ergänzt wurde.

Im Kampf des katolischen Lagers gegen das hussitische Böhmen beteiligte sich die katholische Stadt Eger aktiv an der Seite der antihussitischen Koalition. Sie entsandte ihre Bereitschaftstruppe

zu verschiedenen Kampfplätzen während der ganzen Zeit der Hussitenkriege und nahm an allen Kreuzzügen gegen die Hussiten teil. Im Juni 1430 geriet die Stadt Eger in große Gefahr, als die Hussiten auf ihrem Weg von Nürnberg nach Böhmen Eger passierten. Sie brannten einen Teil der Stadtmauern in der Obertorvorstadt nieder, konnten aber nach längeren Verhandlungen durch Zahlung einer großen Geldsumme zum Abzug bewegt werden.

Am Ende der zwanziger Jahre 15. Jahrhunderts kommt es zu den ersten Verhandlungen zwischen den Hussiten und der katholischen Seite. Eger wird damals die wichtige Rolle eines Vermittlers zugeschrieben. Im Mai 1432 trafen hier die Vertreter der Hussiten mit einer Deputation des Konzils zusammen, um Bedingungen für eine Anhörung der Hussiten in Basel auszuhandeln. Nach schwierigen Verhandlungen wurde  ein Abkommen in elf Punkten gebilligt, die der Hussitischen Partei freie Anhörung zugestanden hatten.

In der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts finden wir Eger als eine interessante Stadt der Fürstentage, der großartigen Feste und diplomatischen Verhandlungen. Die Ursache lag nicht nur in den relativ geordneten Verhältnissen im Königreich Böhmen während der Regierung Georgs von Podiebrad, sondern auch in einer rationellen und bewundernswerten Einstellung der Egerer zum böhmischen Staat und zu dessen Herrscher. Diese wechselseitig positive und nutzbringende Beziehung, bei der Georg an der Westgrenze einen verläßlichen Partner und die Stadt wiederum einen Schirmherr gewann, der ihr weitere wirtschaftliche Prosperität garantierte, dauerte volle drei Jahrzehnte. Georg von Podiebrad besuchte als böhmischer König insgesamt viermal die Stadt und seine Besuche standen stets in Verbindung mit politischen Verhandlungen. Angesichts der vorteilhaften geographischen Lage der an der Grenze zweier Machtblöcke gelegenen Stadt trat bald die neue Rolle Egers als Friedensvermittler und wichtiger Begegnungsort zur Lösung von Streitfragen durch Verhandlungen zutage.

 

„Die statt hat auch ihre gewaltige und reiche getreidtsböden, darauf allerley getreydts hauffen ligen. Sie hat auch ein rüstkammer oder Zeughaus und das mit allerlei wehren gschos kreigsinstrumenten und rüstungen dermassen staffiert, daz so du es sehest, würdestu warlich nicht minder denn ich loben..“

(Caspar Bruschius: Von der statt Eger, 1542)

 

Die in der Mitte des 16. Jahrhunderts in der Chronik als anmutiger Renaissanceort beschriebene,

in einem bezaubernden Tal gelegene, mit dreifacher Stadtmauer  umzogene, mit vielen Mühlen, 442 Häuser, 10 Kirchen und Kapellen, 50 Brunnen, 3 Haupt- und 3 Nebentoren ausgestattete Stadt Eger, berühmt durch ihren in viele Länder ausgeführten Met, war nur scheinbar so beschaulich.

Bauernkriege und Reformationsideen zeugten auch hier von den aufkommenden sozialen und religiösen Spannungen. In der nächsten Umgebung Egers setzte sich bereits in den vierziger Jahren voll die evangelische Lehre durch. Die Einführung der Reformation trug nachhaltig zur Entfaltung des kulturellen Lebens der Stadt bei. Zunftbräuche und Feste, von denen das bekannte Fahnenschwingen bis zum Beginn unseres Jahrhunderts fortdauerte, Sängerwettbewerbe der Zunftmeister, weltliche Dramen und volkstümliche Possen der Schüler der Egerer Lateinschule bereicherten allmählich in bisher ungeahntem Ausmaß das Leben der Stadt. Das Gymnasium in Eger, das unter die Oberaufsicht des protestantischen Stadtrates gelangt war, wurde zum Mittelpunkt humanistischer Bildung und Erziehung. Kantor dieser Schule war auch der berühmte Dramatiker Clemens Stephani. Der Egerer Drucker H. Burger brachte eine Reihe von wissenschaftlichen Werken heraus, die das Interesse der damaligen Bildungsschicht hervorrief. Der Egerer Arzt G. Zechendorffer führte in den siebziger Jahren die erste Obduktion durch und in Frankfurt erschien im Druck sein chirurgisches Handbuch,

zu gleicher Zeit verfaßte in Eger J. Avenarius sein berühmtes hebräisches Lexikon. Eine Reihe von Egerer Bürgern besuchte bekannte europäische Universitäten, und so überrascht es nicht, daß die erhaltenen Egerer Chroniken von P. Engelhart, Ch. Schönstetter und A. Bayer das regional übliche Niveau deutlich überschreiten.

 

„Ein Stein könnte sich erbarmen was wir schon alles erlitten und ausgestanden haben, ein Drittel der Stadt ist abgebrannt, nur Trümmer sind vorhanden… Was Bürger und Bauer am Leibe tragen, ist ihr einzig Hab und Gut. Um den heiligen, bluttriesenden fünf Wunden Christi willen, bitten wir Euere Majestät, uns von weiteren Gräulen zu verschonen.“

(Aus dem Schreiben der Egerer vom 5. Dezember 1640 an Kaiser Ferdinand III.)

 

Die strategisch wichtige Lage Egers als Einfallstor nach Böhmen machte die Stadt im Dreißigjährigen Krieg zu einer vorteilhaften Operationsbasis für beide Kampfparteien, die einander in der Eroberung der Stadt, in der Plünderung der Umgebung, in der Einhebung von Kontributionen und in der Beschlagnahme der Vorräte fast regelmäßig abwechselten. Im Jahre 1631 wurde Eger von sächsischen Truppen erobert, ein Jahr später gewann Albrecht von Wallenstein die Stadt zurück, die im Jahre 1647 wieder von Schweden besetzt wurde. Im Jahre 1625 erschien Albrecht von Wallenstein persönlich zum ersten Mal von Eger und sein Name sollte für immer mit der Stadt verbunden bleiben. Sein ersten Aufenthalt hier hatte auch die erste große Verelendung der Stadt und ihrer Umgebung zur Folge. Eger hatte sich noch nicht von den angerichteten Schäden erholt, da wurde es schon von der unerbittlichen Rekatholisierungspolitik der Habsburger betroffen.

Im Februar 1634 kam Wallenstein nach Eger zum fünften und letzten Mal. Er war bereits schon als Oberkommandierender abgesetzt, hoffte jedoch, aus dem befestigten Eger heraus verhandeln zu können. In Wirklichkeit hatten ihn bereits seine Obristen verraten. Am 25. Februar 1634 wurden vom Stadtkommandanten Gordon Wallensteins getreue Offiziere Illov, Trczka, Kinsky und der Sekretär Neumann zu einem Gastmahl auf die Burg eingeladen und dort unbarmherzig niedergemetzelt. Eine Gruppe von Soldaten drang dann in das Haus auf dem Marktplatz ein, wo Rittmeister Deveroux kaltblütig Wallenstein mit einer Hellebarde durchbohrte.

Wallensteins Tod änderte die Situation der Stadt keineswegs und der fortschreitende Krieg brachte sie an den Rand des Abgrunds. Ein Drittel der Häuser und alle Vorstädte wurden verwüstet, viele Handwerker und Kaufleute emigrierten, Eger war eine verödete, verwahrloste Stadt.

Die zweimalige Besetzung Egers im Laufe des Dreißigjährigen Krieges machte die Veralterung und Unwirksamkeit der Stadtbefestigungen deutlich. Die wichtige Lage der Stadt an der Westgrenze Böhmens war daher entscheidend, daß Ferdinad III. im Juli 1652 ein Dekret über den Umbau Egers zu einer Militärfestung unterzeichnete. Bereits im ausgehenden 17. Jahrhundert war Eger offiziell Grenzfestung. Die ganze Stadt umgab ein System zweier barocker Gräben mit sieben großen Bastionen.

 

„Die Statt Eger ist durchaus uber die massen schön, innerhalb mit prächtigen Häusern, und höfflichen leutseligen und tugenliebenden Inwohnern geziert. Ausserhalb aber mit den allerlustigsten und fruchtbarsten Gärten und Feldern und Fischreichen Wassern versehen.“

(Aus Beschreibung der gantzen Welt, Amsterdam 1651)

 

Die allmähliche Besserung der wirtschaftlichen Situation in der zweiten Hälfte des

  1. Jahrhunderts fand ihren Niederschlag in einer intensiven Bautätigkeit und Gesamtbelebung der Stadt. Einen bedeutenden Beitrag Egers zur barocken Kunstproduktion stellten die Arbeiten der ortsansässigen Tischler und Schnitzer dar. Die bei der Möbelverzierung angewandten plastischen farbigen Intarsien sind bis heute unter der Bezeichnung „Egerer Reliefintarsien“ bekannt und in den Beständen der größten Museen vertreten. Die Tischler und Schnitzer Adam Eck, Hans Georg Fischer und Karl Haberstumpf sind Hersteller vieler Schmuckkästchen, Sekretäre und Schränkchen, die der Stadtrat als repräsentative Geschenke für bedeutende Persönlichkeiten und prominente Besucher Egers anfertigen ließ.

Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts begann sich Eger wieder wirtschaftlich und kulturell zu erholen, aber seine ehemalige Bedeutung erlangte es nicht mehr. Im Jahre 1721 traten in Eger zum letzten Mal die politischen Repräsentanten des Egerlandes zusammen, um die Pragmatische Sanktion zu billigen, mit der Karl VI. die Unteilbarkeit der habsburgischen Länder sicherstellen wollte. Der Egerer Landtag, der aus führenden Persönlichkeiten der Stadt, des Adels und der Kirche bestand und das Egerland bei den Verhandlungen mit dem böhmischen König als Besitzer eines Pfandgebietes vertrat, vollzog so seinen letzten selbständigen Staatsakt. Schon 1723 erfuhr die Stadt, daß das Egerland als verfallenes Pfand für einen Teil der böhmischen Krone gehalten und Eger auch formal zu einer freien böhmischen Königsstadt gemacht werde.

 

„Jederzeit, mein Theuerster, wenn die Jahreszeit herannaht, die ich sonst so vergnüglich und nützlich in Böhmen zubrachte, fühl ich eine mächtige Sehnsucht dorthin und vor allem wird der Wunsch lebhaft Ew:Wohlgeb, zuerst beym Eintritt zu begrüssen.“

(J. W. Goethe an Rat Grüner im Jahre 1828)

 

In die Zeit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert fällt auch eine wichtige Phase des Aufbaus der Stadt Franzensbad, die bis 1851 zum Magistrat der Stadt Eger gehörte. Die Franzensbader Quellen, ursprünglich als Egerer Sauerbrunnen bezeichnet, wurden schon seit dem 16. Jahrhundert als Heilquellen zur Behandlung benutzt. Das Mineralwasser lieferte man an die Kurgäste, die sich damals in Eger aufhielten. Im Jahre 1791 begann man mit dem Aufbau eines Kurortes nach dem Entwurf von T. Gruber.

Der schnelle Aufschwung des Kurorts, der seit 1807 offiziell Franzensbad genannt wurde, trug auch zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung Egers bei. Der Ruhm Franzensbads zog viele bedeutende Persönlichkeiten der europäischen und böhmischen Kultur und Wissenschaft nach Eger, wodurch das Leben der Stadt aus der für eine Provinz so typischen Lethargie gerissen wurde.

Insbesondere die regelmäßigen Aufenthalte J. W. Goethes und seine Freundschaft mit Magistratsrat J. S. Grüner führten zu einer dauerhaften Beziehung des Dichters zu dieser Region. Gemeinsame Forschungsinteressen der beiden schufen die Grundlagen für ein tieferes Studium der Geschichte, der Volkskunde und der geologischen Besonderheiten des Egerlandes. In Eger lernte Goethe Karl Huss, den Chronisten, Sammler und zugleich den letzten Egerer Scharfrichter, und den Grafen Kaspar Sternberg, den Gründer des Prager Nationalmuseums, kennen. Komponist J. V. Tomaschek spielte hier dem Dichter seine vertonten Gedichte vor.

Den Eintritt Egers ins 19. Jahrhundert kennzeichneten zwei Ereignisse, die die Gestalt der Stadt in großem Maße veränderten – der Brand und die Auflösung der Festung. Der große Brand von 1809 ergriff den ganzen Nordteil der Stadt und beschädigte größere mittelalterliche Bauten, die nie wieder aufgerichtet wurden. Die St. Johanneskirche am Johannesplatz, die alte Synagoge im nahe liegenden Ghetto und die Karnerkapelle am Kirchenplatz verschwanden so für immer aus dem Grundriß der Stadt. Schwer bertoffen war auch die Pfarrkirche. Einer der verbrannten barocken Turmhelme wurde durch ein neues neugotisches Dach mit vier Ecktürmchen ersetzt, der andere blieb bis 1864 nur mit einer provisorischen Überdachung versehen. Die Silhouette der unvollendeten Türme der St. Nikolaskirche erinnerte noch 50 Jahre lang an den verwüstenden Brand. In das Bild der verfallenden mittelalterlichen Stadt paßte auch die Burg, die niemand mehr pflegte. Der Burghof wurde mit Schutt der abgetragenen Festung aufgefüllt, das Burgpalais wurde zu einer Ruine.

Die Auflösung der Egerer Festung und die Erklärung Egers zu einer offenen Stadt bedeutete einen symbolischen Entritt in die neue, rationale Zeit, die sich auf einen wirtschaftlichen Fortschritt richtete. In dieser Phase wurde aber oft viel Altes, ohne Rücksicht auf dessen kulturgeschichtlichen Wert, vernichtet. Im Laufe von einigen Jahrzehnten verschwanden mehr als 50 Festungstürme, man riß Stadttore ab, und es kam zu unsensiblen Umbauten historischer Gebäude. Eine nüchterne Art des amtlichen Empires, den ein neugebautes Gymnasium (1829) und eine Kaserne (1839) darstellten, gab auch den Fassaden vieler Bürgerhäuser ein neues Gepräge.

 

„Der Bahnhof in Eger bildet einen stattlichen Complex von Gebäuden, einen Stadttheil für sich. Wir wollen hoffen, dass die Unternehmungslust den Raum den Raum zwischen der Stadt und dem Bahnhofe mit Gebäuden recht bald ausfüllt.“

(Egerer Jahrbuch, 1872)

 

Eine wesentliche Bedeutung für den Aufschwung oder Verfall einzelner Regionen hatte die Bindung an das entstehende Eisenbahnnetz. Im Jahre 1865 wurde eine Verkehrsverbindung zwischen Eger und Hof über Asch gebaut, und aus Waldsassen kamen die ersten Züge der Bayerischen Bahn nach Eger. Im Jahre 1871 wurde Eger mit Komotau und Pilsen verbunden, die Bahnstrecke nach Schirnding wurde 1882 gelegt. Die wirtschaftliche Bedeutung und die Größe des Egerer Bahnhofs sind einigen Angaben aus den 1870-er Jahren zu entnehmen. Der Bahnhof hatte elf Hauptgleise, 131 Weichen, fünf Drehscheiben und zwei Rangiergleise. Täglich verkehrten hier rund 100 Güter- und Personenzüge, und jährlich wurden fast eine Million Fahrgäste befördert. Eger wurde zu einem Bahnknoten, über den der gesamte Außenhandel auf der Strecke Berlin-Eger-München abgewickelt wurde. Die Stadt Eger festigte dadurch auch wirtschaftlich ihre Stellung als natürlicher Mittelpunkt der gesamten Region.

Als 1865 ein neuer Bahnhof gebaut wurde, bekam die Stadt, deren Grundriß bis zu dieser Zeit immer noch von den Stadtmauern aus dem 13. Jahrhundert bestimmt wurde, ein neues Stadttor. Bald darauf entfaltete sich eine rege Bautätigkeit, und eine kilometerlange Lücke zwischen dem historischen Stadtkern und dem Bahnhof begann sich zu füllen. Der abgeschossene Marktplatz öffnete sich durch den Abriß zweier Häuser an seinem oberen Teil, und durch die Einebnung der Höhenunterschiede zwischen dem Graben an der Stadtmauer (in der heutigen Schlickgasse) und der Außenbefestigung entstand die neue Bahnhofstraße. Die meisten auf diesem Gelände verstreut stehenden Häuser wurden zugeschüttet, der Rest abgetragen, und in kurzer Zeit begannen hier neue Häuser zu entstehen.

Wo früher die ursprünglichen Burggräben und die Außenbefestigung waren, entstanden drei neue, gleichförmige Ringstraßen. Die hier errichteten Gebäude, die evangelische Kirche (1871), das zentrale Schulgebäude des Rudolfinum (1874) und das Theater (1874) deuteten bereits das zukünftigen Bild einer Stadt des 20. Jahrhunderts an.

Gleichzeitig mit der Stadtumgestaltung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten sich auch Kultur und gesellschaftliches Leben. Mit dem Bau des Theaters bekam Eger ein ständiges Ensemble, auch zahlreiche Chöre und Vereine entwickelten ihre Aktivitäten. Auf Anstoß G. Schmids wurde im Jahre 1873 in Eger eines der ersten regionalmuseen Böhmens gegründet, und H. Gradl und K. Siegl waren die ersten wissenschaftlichen Geschichtsforscher. In den 80-er Jahren gründete der erste selbständige Schriftsteller Alois John die literarische Gesellschaft und später Verein und Zeitschrift „Unser Egerland“, in denen sich die gesamte heimatkundliche Tätigkeit der Region konzentrierte.

Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in Eger außer den reichen Kaufleuten und dem Kapital auch die wichtige Maschinenindustrie (1863 wurde Fischers Maschinenfabrik errichtet, die zu den bedeutendsten Herstellern landwirtschaftlicher Maschinen gehörte, 1891 gründete eine englische Firma die bekannte Fabrik Premier, die Rad- und Motorräder produzierte, und letztlich gründete 1911 eine holländische Gesellschaft die Fabrik Eska, die ebenfalls Fahrräder herstellte), die Lebensmittelindustrie und einige größere Textilfabriken und Bauunternehmen.

 

„Möge der Allmächtige dem Unternehmen seinen reichsten Schutz gewähren, das Gebäude zur Zierde der Stadt erstehen lassen, und lange Jahre zum Wohle und Heile unserer Stadt erhalten!“

(Aus der Urkunde im Grundstein des Schulgebäudes Rudolfinum, 1874)

 

Auch ein nur kurzer Rückblick in die Geschichte der Stadt Eger in den vergangenen hundert Jahren belegt vor allem die Tragik und die Absurdität des Lebens im 20. Jahrhundert. Es ist mehr als eine traurige Feststellung, daß wir das Bild einer ruhigen und ungestörten Entwicklung dieser Stadt nur in den ersten und in den letzten zehn Jahren dieses Jahrhunderts gewinnen.

Die schnelle Entwicklung der Stadt unter der segensreichen Führung des Bürgermeisters

Dr. Gustav Gschier in den Jahren 1892 – 1912 ist so ein optimistischer Auftakt für den Eintritt der Stadt Eger in die neue Zeit. Durch intensive Bautätigkeit entstand im Laufe von zwanzig Jahren ein neues, modernes Stadtbild, welches den historischen Stadtkern um bedeutende Bauten bereicherte. Diese gehören, sofern sie die folgenden 90 Jahren überlebten, bis heute zu dem charakteristischen Bild der Stadt Eger.

In den Jahren 1891 – 1892 wurde nach den Plänen des Baumeisters J. Thurner neben dem Stadtpark die neue Obertorschule (vergrößert 1899 und 1901) erbaut, ihr folgten die Neubauten der Schulen in der Schmerlingstraße (1902 – 1904) und beim Schillerpark (1909 – 1910). Das hier stehende alte Stadtkrankenhaus wurde in dieser Zeit zur Fortschule umgebaut, denn am westlichen Stadtrand errichtete man nach den Plänen des Stadtbaurates Pascher den neuen Gebäudekomplex des Allgemeinen Krankenhauses. Durch die Erbauung des neuen städtischen Schlachthofes (1894) und des Elektrizitätswerkes (1910) entstand in der Schifftorvorstadt ein Gewerbegebiet. Der Ausbau der Kanalisation und der Wasserleitung (1911 – 1912), die Anlage des neuen Friedhofes und die Umwandlung des alten Friedhofes in einen Stadtpark – das alles bildtete die notwendige Infrastruktur für die weitere Entwicklung der Stadt.

In den Jahren 1898 – 1899 erbaute die reiche Handels- und Gewerbekammer an der Ecke der Schulgasse und der Opitzstrasse nach den Plänen von G. Wiedermann im Stil der Neorenaissance ein repräsentatives Verwaltungsgebäude. Ähnlich prunkvolle Bauten entstanden für den Spar- und Vorschussverein in der Wallensteinstrasse (1898 – 1899) und für die Eskomptenbank (1899 – 1900)

an der Ecke der Schnaz- und Bahnhofstraße. Barocke Form mit Jugendstildekoration kombinierte der Neubau des Strafgerichtes und des Gefängnisses in der Ritter-von-Forster-Straße; damit sollte der amtliche Represäntationsanspruch vermittelt werden. Das Bild der amtlichen Bauten ergänzten die herrschaftsbetonten historistischen Fassaden der Landwehrkasernen (1890) oberhalb des Stadtparkes und – in einer anderen Form  – die 1914 beendete Infanteriekaserne vor dem Schifftor.

Die im Jahre 1911 an der Ecke der Gschier- und Ringstrasse feierlich eröffnete Stadtbibliothek zeigte eine ganz andere Architektur-Note. Dieser elegante Jugendstilbau, erbaut vom Egerer Baumeister F. Kraus nach den Plänen des Teplitzer Architekten von Loose, entstand aus dem Stiftungsvermögen des verstorbenen Egerer Maschinenbaufabrikanten Dominik Kreuzinger. Ein großer Vortragsraum für 300 Personen machte die Bibliothek bald zu einem neuen kulturellen Zentrum der Stadt. In den Jahren 1908, 1909 und 1911 wurden auch die historischen Wallensteinfestspiele veranstaltet, die Tausende Besucher nach Eger brachten und am Anfang einer neuen Tradition in der Präsentation der eigenen Geschichte der Stadt standen.

Gerade in dieser Zeit des Suchens und des Gestaltens eines neuen inneren und äußeren Stadtbildes wurden, fast gleichzeitig, zwei Bauvorhaben abgeschlossen, die für die Stadt Eger zu einer mehr als zufälligen, schicksalhaften Metapher für den Eintritt in das neue Jahrhundert wurden. Im Mai 1899 wurde feierlich die neue, moderne Egerbrücke als Symbol der Offenheit gegenüber der neuen Welt fertig gestellt. Kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges hat man im August 1913 auf einem künstlich aufgeschütteten Hügel über der Stadt feierlich das Jahn-Denkmal als Symbol des entschlossenen und verewigten Deutschtums der Egerer enthüllt.

Zwei Detonationen des Jahres 1945 gaben diesen Symbolen eine neue Bedeutung. Im April des Jahres 1945 sprengten die deutschen Egerer aus Angst vor der kommenden amerikanischen Armee die Egerbrücke in die Luft, im Oktober entfernten die tschechischen Egerer die drei zwei Meter hohen, bedrohlichen deutschen Adler für immer aus dem Gedächtnis der Stadt.

Die beiden Weltkriege und deren Folgen hinterließen dauerhafte Spuren im Leben der Stadt und deren Bevölkerung. Der geschichtiliche Einschnitt, der die Egerer Vision gegen Böhmen durch Loslösung von den böhmischen Ländern und die Vertreibung des tschechischen Staates entschied, bekam seine Fortsetzung in dem Einschnitt des Jahres 1945, der das Egerer Problem gegen die Deutschen mit der Vertreibung aus Eger.

Das letzte Jahrzehnt dieses Jahrhunderts gab wieder Hoffnung auf eine ruhige und ungestörte Entwicklung. Bei der feierlichen Grundsteinlegung für das neue Schulgebäude Rudolfinum am

  1. August 1874 wurde in den grundstein eine Pergamenturkunde als Botschaft für die Nachkommenden eingelegt. In dieser Botschaft stand der Wunsch, daß diese Schule für viele Jahre unter dem Schutz des Allmächtigsten zur Zierde und zu einem Symbol der Bildungsstadt werde. Im Jahre 1999, 125 Jahren später, wurde auch dieses Gebäude abgerissen. Hoffen wir, daß es die letzte Zerstörung in Eger nicht nur in diesem absurden 20. Jahrhundert ist.

 

Verantwortlich: Tourist-Information
Entstanden / aktualisiert: 15.2.2008 / 15.2.2008

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